Zusammenfassung der Dissertation zum Dr. Ing.
„Reconstruction of Urban Surface Models from Multi-Aspect and Multi-Baseline Interferometric SAR“
Schon seit vielen Jahren wird die SAR-Interferometrie dazu verwendet, die dreidimen-sionale Topographie der Erdoberfläche unabhängig von Wolkenbedeckung und Tages-zeit zu erfassen. Sie gilt deshalb als wertvolles Werkzeug für schnelle Geodatenakquise vor allem in zeitkritischen Szenarien, z.B. bei der zeitnahen Kartierung von Katastro-phenereignissen. Die seitwärtsblickende SAR-Abbildungsgeometrie führt jedoch insbe-sondere in urbanen Gebieten, wo typischerweise viele erhabene Objekte (z.B. Gebäude oder Bäume) vorhanden sind, zu den störenden Effekten Überlagerung und Radar-schatten: Während vom Überlagerungseffekt betroffene Beobachtungen die Phasen-messungen einzelner Streuer als nicht ohne weiteres auflösbare Signalmischung auftre-ten lassen, enthalten im Radarschatten liegende Auflösungszellen keinerlei brauchbare Phaseninformationen. Dies führt bei der Rekonstruktion von städtischer Topographie zu Ungenauigkeiten, Fehlern und Datenlücken, denen bislang nur mit über längere Zeit-räume gesammelten, großen Stapeln von Satelliten-SAR-Aufnahmen begegnet wird. Dadurch geht natürlich die zeitnahe Datenverfügbarkeit verloren.
Mit dem Ziel, diese Nachteile aufzulösen, ohne auf Zeitreihen multi-temporaler SAR-Daten zurückzugreifen, untersucht die Arbeit „Reconstruction of Urban Surface Models from Multi-Aspect and Multi-Baseline Interferometric SAR“ innovative InSAR-Prozessierungsstrategien zur Rekonstruktion urbaner Oberflächenmodelle unter Ver-wendung von Daten mehrerer Blickrichtungen sowie Basislinien, aufgenommen wäh-rend eines einzigen Überflugs von flugzeuggetragenem SAR.
Der erste Schritt in der Prozessierungskette der Mehrfachbasislinien-SAR-Interferometrie ist typischerweise die Schätzung der komplexen Kovarianzmatrizen aller Pixel im Stapel der koregistrierten kohärenten SAR-Bilder, da diese Matrizen die voll-ständige interferometrische Information der jeweils zugehörigen Auflösungszelle bein-halten. Deshalb ist der erste Beitrag der Doktorarbeit die Vorstellung zweier neuer adap-tiver Verfahren zur Kovarianzmatrix-Schätzung, die speziell für Single-Pass-InSAR-Stapel mit nur wenigen Aufnahmen entworfen wurden, wie sie häufig von flugzeugge-tragenen Sensoren bereit gestellt werden.
Als zweiter Schritt wird ein neuartiger Algorithmus zur SAR-Tomographie beschrieben, der darauf abstellt, überlagerte Streuer zu trennen und die Fokussierung dünnbesetzter dreidimensionaler SAR-Bilder zu ermöglichen.
Als dritter Beitrag wird die Fusion von Multi-Aspekt-InSAR-Daten untersucht. Dabei ist das Ziel Informationen dort aufzufüllen, wo sie in einzelnen Aspekten von Radarschat-ten verdeckt wurden. Dazu wird ein neues Maximum-Likelihood-Schätzverfahren entwi-ckelt, das verwendet wird, um InSAR-Daten mehrerer Aspekte und Basislinien simultan zu fusionieren, um schließlich ein flächendeckendes 2,5D-Höhenmodell zu generieren. Analog dazu wird eine Voxelraum-basierte Fusion von 3D-Punktwolken, welche durch SAR-Tomographie gewonnen wurden, vorgeschlagen.
Alle in der Arbeit beschriebenen Methoden werden mit Hilfe von experimentellen SAR-Daten des flugzeuggetragenen Millimeterwellen-Sensors MEMPHIS untersucht. Sie bestehen aus Single-Pass-Mehrfachbasislinien-InSAR-Stapeln vier komplementärer Blickrichtungen, die jeweils wiederum vier koregistrierte Aufnahmen enthalten. Der Testdatensatz zeigt die Innenstadt von München und dient als Beispiel für komplexe urbane Szenen. Er ist zusammengesetzt aus dichten Gebäudeblocks, isolierten großen Gebäuden, Straßen und vielen Stadtbäumen.
Indem die mit den unterschiedlichen Ansätzen erzielten Rekonstruktionsergebnisse mit einer dichten Laser-Punktwolke abgeglichen werden, kann gezeigt werden, dass mit den entwickelten Methoden eine flächendeckende Rekonstruktion von urbanen Gebie-ten mit Genauigkeiten im Meter- und sogar Submeterbereich möglich ist. Obwohl mittels klassischer Photogrammetrie und Laserscanning noch genauere Ergebnisse möglich sind, konnte in der Arbeit gezeigt werden, dass auch in Stadtgebieten die Gewinnung von detaillierten 3D Geodaten auf Basis einer interferometrischen Auswertung von SAR-Daten möglich ist, ohne auf Zeitreihen multi-temporaler Aufnahmen zurückzugreifen zu müssen.